Die vorliegende Doktorarbeit ist das Ergebnis dreijähriger Forschung über das Theater in den Konzentrationslagern des Zweiten Weltkriegs.
Dabei geht es hier vor allem um Lager in Deutschland, mit drei Ausnahmen: dem Getto Theresienstadt, dem Durchgangslager Westerbork und dem Lager Auschwitz-Birkenau. Je nach Besonderheit des jeweiligen Lagers fand das künstlerische Schaffen offiziell oder im Verborgenen statt, diente der Nazipropaganda oder trug ganz im Gegenteil zum Kampf gegen den Nationalsozialismus oder zum Überleben der Gefangenen bei. Aufgrund dieser unterschiedlichen Bedingungen versteht man, warum das künstlerische Schaffen an manchen Orten ergiebiger war, an anderen sehr viel sporadischer stattfand.
Die Gefangenen und Deportierten, Männer und Frauen, unabhängig davon, ob sie aus der Welt der darstellenden Künste kamen oder nicht, machten in den Lagern Theater, um sich zu äußern, von der Vorstellung Cirkus Conzentrazani im August 1933 an bis zum Kazet Theater oder Zebra, zwei KZ-Theatertruppen, die 1945 nach der Befreiung im Lager Stücke aufführten.
Die Arbeit stützt sich auf zahlreiche Zeugenaussagen (aus etwa dreißig speziell für diese Doktorarbeit geführten Interviews), auf Archivdokumente (ungefähr 20 unveröffentlichte und für diese Doktorarbeit übersetzte Stücke) und private Bestände (Korrespondenz und Manuskripte).
Die vorliegende Arbeit möchte ein Bild von diesen Theaterproduktionen zeichnen, ob sie nur ausgedacht, schriftlich fixiert oder gespielt worden waren oder als solche auf Tournee gingen. Vom satirischen Kabarett bis hin zur ätzend-scharfen Revue über Neuinterpretationen von Klassikern oder autobiographische Stücke haben die in den Lagern schaffenden Künstler in vielen Stilrichtungen gearbeitet. Manchmal war das Unterfangen so weit von unseren klassischen Vorstellungen von Theater entfernt, dass es schwierig ist, von Theaterschaffen oder überhaupt von Theater zu reden. In Verbindung mit Lager hat sich das Theater neu erfunden.
Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit richtet sich auf die Fakten, Probleme und Nachwirkungen dieser Unternehmungen, die in einem extremen Umfeld entstanden sind, das die Möglichkeit von Theater überhaupt, aber auch das Überleben von Menschen generell in Frage stellt. Unternehmungen in einer unglaublichen Extremsituation. Man muss dieses Theater unter dem Aspekt der Lagersituation, die es bedingte, betrachten, aber auch in Bezug auf das Dilemma hinsichtlich seiner Mittel und Möglichkeiten.
Warum sind Menschen in einem Lager schöpferisch tätig – wie und für wen?